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The adult learning dilemma

Anlässlich des vierzigjährigen Bestehens der „Computers and Learning Research Group“ (CALRG) der Open University erschien im Dezember 2019 der Sammelband „Educational Visions. Lessons from 40 years of innovation“ (Ed. Ferguson, Jones & Scanlon). In seinem zusammenfassenden Beitrag „Visions for the Future of Educational Technology“ (S. 151-166) schreibt Mike Sharples mit Bezug auf die MOOCs der OU (siehe https://www.futurelearn.com/) und auf Basis zweier Studien von Rienties & Toetenel aus dem Jahr 2016 vom „adult learning dilemma“:

Hiermit bezeichnet er die Diskrepanz zwischen einer von Lernern in MOOCs bevorzugten Online-Kursgestaltung mit Schwerpunkt auf Wissensrepräsentation (Texte, Bilder, Videos) versus einer Online-Kursgestaltung mit größerem Anteil an kommunikativen Aktivitäten (z. B. Diskurs zu Inhalten), welche zwar von Lernenden weniger geschätzt wird, doch nachweislich zu höheren Abschlussraten und besseren Lernergebnissen führt.

Hier sein Fazit im Wortlaut:

Such courses expose a central dilemma of adult learning: what students like most is generally not what is best for them. (…) In brief, students prefer modules with plenty of delivered content (videos, texts) and some interaction. But the modules best at retaining students are those with communicative and collaborative learning. And student exam performance is worst on those modules that are heavy on delivered content. (…) How can course designers overcome the adult learning dilemma to offer education that is both engaging and effective?

(S. 155f.)

Methodisch kann man sich in die zugrundeliegenden Studien richtig reinwühlen. Als erster Überblick mit hilfreichen Grafiken dient der im gleichen Sammelband erschienene Beitrag Kap. 7 „Evidence-Based Learning: Futures. Using learning design and learning analytics to empower teachers to meet students‘ diverse needs“ von Rienties und Jones (S. 109-125) – hier der Abschnitt zu Learning Design – und selbstverständlich die zweite Publikation von Rienties & Toetenel „The impact of 151 learning designs on student satisfaction and performance: social learning (analytics) matters“.

In dieser findet sich auch ein guter Überblick mit Ausführungen über die der Studie zugrunde liegende Learning Design Activity Taxonomy, wie sie aus der Open University Learning Design Initiative (OULDI) 2012 hervorging und zur Klassifizierung der jeweiligen Kursaktivitäten genutzt wurde.

Grafik aus Rienties & Toetenel (2016)

Mittels dieser Klassifikation wurden in der zweiten Studie von Rienties & Toetenel die Online-Kursgestaltungen (= Learning Designs) mit jeweiligen Aktivitätsanteilen von 151 Online-Kursmodulen mit über 110.000 Studierenden erfasst und in Relation zu den (abhängigen) Variablen Lernerzufriedenheit (learner satisfaction) und Abschlussrate (academic retention) gesetzt. Die Auswertung erfolgte datenbasiert (Learning Analytics) auf Grundlage des Nutzerverhaltens auf dem LMS.

Einige der Ergebisse in Auszügen:

Our first and perhaps most important finding is that learning design and learning design activities in particular strongly influenced academic retention. (…) The primary predictor of academic retention was the relative amount of communication activities. This is an important finding as most teachers are the OU and across the globe have a tendency to focus on cognition rather than social learning activities.

Our second important finding was that learner satisfaction was strongly influenced by learning design. Modules with assimilative activities and fewer student-centred approaches like finding information activities received significantly higher evaluation scores. (…) it is remarkable that learner satisfaction and academic retention were not even mildly related to each other (…). More importantly, the (student-centred) learning design activities that had a negative effect on learner experience had a neutral to even positive effect on academic retention. (…)

Our findings indicate that students may not always be the best judge of their own learning experience and what help them in achieving the best outcome.

Sicher sollten neben Replikationsstudien in Folge auch valide Erklärungen für die gefundene Diskrepanz gefunden werden. Als mögliche Erklärungen verweisen Rienties & Toetenel u.a. auf die Anstrengung, die zur Erreichung bestimmter (Lern-)Ziele eben erforderlich ist und nicht nur immer als angenehm empfunden wird.

Ich fand jedenfalls den Ausdruck „adult learning dilemma“ wie auch die zugehörigen Studien spannend und sehe darin einen weiteren Verweis auf die Bedeutsamkeit begleitender Kommunikation bei Online-Lernsettings in der Erwachsenenbildung. Diese hat sich übrigens auch die OU zur Leitlinie bei der Gestaltung von MOOCs auf https://www.futurelearn.com/ gemacht: Sämtliche Wissensinputs werden mit Kommunikationsmöglichkeit der Teilnehmenden untereinander flankiert und zudem wird regelmäßig die Einreichung von Meinungs-/Diskursbeiträgen oder Artefakten via padlet wie bspw. im offenen Kurs https://www.futurelearn.com/courses/project-management-beyond-the-basics gefordert. Dies macht auch mir weniger Spaß, weil aufwändiger und anstrengender als eine Übung durchzuklicken, doch spannender und lehrreicher ist es in jedem Fall, zu sehen, was dann andere antworten und wie sich der Diskurs weiterentwickelt…

Visual Languages for Instructional / Learning Design

Mein besonderes Interesse gilt grafischen Sprachsystemen und -werkzeugen für das Instructional / Learning Design. International wird gemäß gleichnamigem Handbuch auch von Visual Languages for Instructional Design / Learning Design gesprochen. Auf dieses Themenfeld aufmerksam wurde ich durch die Beschäftigung mit der Spezifikation IMS Learning Design (im Rahmen meiner Master These) und die im Umfeld sich entwickelnde Learning Design Community. Eine der Grundanliegen der Community ist es, analog zur Musiknotation ein schriftliches Sprachsystem zu finden, das Lehr-Lernarrangements abzubilden und zu kommunizieren imstande ist. Im Dezember 2012 hatten Vertreter der Learning Design Community wichtige Annahmen, Entwicklungslinien und Erkenntnisse hierzu in der Larnaca Declaration on Learning Design festgehalten. Ich hatte hier bereits einen Weblogeintrag dazu verfasst. In loser Folge möchte ich zukünftig unterschiedliche Vorschläge solcher Sprachentwürfe vorstellen und sammeln. Die Relevanz grafischer Sprachsysteme ist u. a. bei erforderlicher Kommunikation über die Gestaltung entsprechender Lehr-Lernarrangements (mit Fachexperten/SMEs, Instructional Designern, Technikern, Führungsebene, Stakeholdern im Corporate Bereich oder mit Lehrkräften im Education Bereich) gegeben. Im Education-Bereich (k-10/12) sind grafische Sprachsysteme allerdings noch wenig bekannt und genutzt, was auch daran liegen mag, dass der Kommunikationsaspekt (nach den Lehrversuchen und Lehrproben im Referendariat, bei denen gegenüber Betreuern schriftliche Vorentwürfe abzugeben waren) in der Praxis vielfach keine wichtige Rolle mehr spielt – arbeiten viele Lehrkräfte doch überwiegend alleine ihre Stundenvorbereitungen aus. Ändert sich das Unterrichtskonzept aber in Richtung kollaborativer Sequenzplanung und gemeinsamer Gestaltung von Lehr-Lernangeboten, könnten gemeinsame Sprachkonzepte die Abstimmungs- und Entwurfsprozesse deutlich professionalisieren und erleichtern.

 

 

Online learning design for dummies

Ein zwar ein schon älterer Artikel aus dem Jahre 2002 von Ron Oliver und Jan Herrington (Edith Cowan University, Australia) mit dem Titel ‚Online learning design for dummies‘ , den ich aber nachdrücklich zur Lektüre empfehlen möchte. Auch aus eigener Erfahrung kann ich die Beobachtung von Olivier und Herrington bestätigen, dass wir Lehrkräfte häufig darauf fixiert sind, unseren Unterricht vorwiegend anhand der zu vermittelnden Inhalte zu konzipieren. In anderen Worten gesprochen dominieren häufig die unterrichtlichen Planungsdimensionen der Inhalte (und vielleicht noch der Ziele). Bescheiden formuliert verweisen Oliver und Herrington gerade für das Design effektiver Onlinekurse (was m.E. ebenso für zahlreiche Settings in Präsenzkursen gelten könnte…) auf die Notwendigkeit alternativer Planungsdimensionen. Grundlegend für diese wird von einem veränderten Rollenverständnis der Lehrenden und nicht zuletzt von einem konstruktivistischen Lehr-Lernverständnis ausgegangen, das nach Oliver/Herrington vor allem für den Hochschulkontext besondere Eignung besitzt:

In designing effective online learning materials, perhaps the most important first step is to create a role
for the teacher as one of coaching and scaffolding as an alternative to the more commonly used didactic forms of teaching (…)

Instead of providing and delivering information, the lecturer’s principal function is to
create collaborative, challenging and supportive learning environments within which the learner operates.
(Oliver, Herrington 2002, 2)

Als didaktische Planungsdimensionen zur Konzeption von Online-Lerneinheiten (oder in ihren Worten gesprochen – als learning design elements) werden aufgeführt:

  • learning tasks: The activities, problems, interactions used to engage the learners and on
    which learning is based
  • learning resources: The content, information and resources with the underpinning knowledge
    and with which the learners interact
  • learning supports: The schedules, scaffolds, structures, encouragements, motivations,
    assistances and connections used to support learning
    (ebd., 2).

Anhand dieser Planungsdimensionen schlagen Oliver/Herrington eine 6-Stufen-Modell zur Konzeption von Online-Kursen bzw. -Lerneinheiten vor, das ihrer Erfahrung nach vor allem Einsteigern im Instructional Design/Learning Design bzw. Lehrkräften ohne Erfahrung im Online-Kursdesign eine wichtige Hilfe ist.

  1. Plan the intended learning outcomes
  2. Plan the learning tasks
  3. Choose assessment strategies
  4. Plan resource needs
  5. Plan support strategies
  6. Plan the organization strategy for the online materials (ebd, 3)

Bemerkenswert auch der Hinweis, dass bei der Planung der learning tasks nicht der zu vermittelnde Inhalt im Blick stehen sollte, sonder nur die zu erreichenden Ziele bzw. Zielkompetenzen.

The critical factor in planning the learning design is to consider activities that are independent of the learning resources. It is important when planning the design not to be concerned with the content and resources and to see these as completely independent elements in the design process (ebd, 4).

Ich denke, dass uns Oliver und Herrington mit diesem Papier gerade für die Lehrerfortbildung ein wichtiges Denk- und Rahmenmodell zur Konzeption von Online-Kursen zur Verfügung stellen. Und vielleicht ja nicht nur für die Konzeption von Online-Kursen…

Oliver, R.; Herrington, J. (2002). Online learning design for dummies: professional development strategies for beginning online designers. In P. Barker & S. Rebelsky (Eds.), Proceedings of ED-MEDIA 2002, World Conference on Educational Multimedia, Hypermedia and Telecommunications. Norfolk, VA: AACE, (pp 1500-1505).