Spielarten des Sollens

Im Rahmen der Tagung Campus Innovation 2014 des Multimedia Kontor Hamburg (MMKH) entwickelte Gabi Reinmann in ihrer Keynote „Spielarten des Sollens: Die Rolle der Forschung für die Entwicklung der Hochschullehre mit digitalen Medien“ am 20.11.2014 (Link zur Vortragsaufzeichnung) eine hilfreiche Übersichtstabelle zu aktuellen Forschungsstrategien in den Bildungswissenschaften. Es werden die empirische Bildungsforschung, die Trend- und Zukunftsforschung, die entwicklungsorientierte Bildungsforschung bzw. Design-Based Research und die Bildungsphilosophie unterschieden und bzgl. der Ebenen typische Aktivitäten, Ziele, Ergebnisse sowie der Art etwaiger Sollensansprüche und sich daraus ableitender Verhaltensaufforderungen verglichen.

Screenshot Vortrag Reinmann - Spielarten des Sollens

Screenshot Vortrag Reinmann – Spielarten des Sollens

Für mich neu an diesem Vergleich war die Aufnahme der Trend- und Zukunftsforschung als Forschungsparadigma zur Erlangung von Erkenntnissen in den Bildungswissenschaften, wenngleich mir entsprechende Berichte wie etwa die vom New Media Consortium (NMC) in Texas herausgegebenen Horizon Reports, die seit 2009 vom MMKH auch in deutscher Übersetzung bereitgestellt werden, stets bewusst waren.

Besonders interessant fand ich die in der grafischen Übersicht die durch den weißen (nicht grau schattierten) Hintergrund hervorgehobenen Vergleichsebenen der Sollensansprüche und Verhaltensaufforderungen, die Reinmann aus den jeweiligen Herangehensweisen ableitet. Gerade durch die knapp formulierten Handlungsaufforderungen

  • Tue das, was wirkt! (Empirische Bildungswissenschaften)
  • Tue das, was nötig ist! (Trend- und Zukunftsforschung)
  • Tue das, was passt (Design-Based Research)
  • Tue das, wofür du Gründe hast! (Bildungsphilosophie)

werden in gelungener Weise die jeweiligen (impliziten oder versteckten, emergenten oder expliziten) Sollensansprüche und damit die Praxisrelevanz der jeweiligen Forschungsstrategien plakativ benennbar.

Weiter stellt Reinmann abschließend die unterschiedlichen Herangehensweisen als gleichermaßen berechtigt und den zu untersuchenden Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven erforschend  – somit als nicht konkurrierende, sondern komplementäre Ansätze – dar.

Reflexion: Was hat dies mit dem Aspekt des Design4TEL (siehe Titel dieses Weblog) zu tun? Ich persönlich sympathisiere stark mit dem Ansatz der entwicklungsorientierten Bildungsforschung (Design-Based Research) insbesondere für die Erforschung des TEL im Feld. Die Komplexität der jeweiligen Anwendungssituation (z. B. Nutzung spezifischer Lehr-/Lernstrategien innerhalb von Unterricht oder Lehrerfortbildung) und das Anliegen, neben theoretischem Erkenntnisgewinn konkrete Bildungsprobleme bzw. -herausforderungen in passender Weise (ggf. innovativer, d. h. noch nicht bewährter, ggf. aber auch mit bewährten Mitteln, die aber so bisher nicht im Blick waren) zu lösen, sind für mich Rahmenbedingungen, die insbesondere für reflektierende und wissenschaftlich interessierte Praktiker attraktive Handlungsspielräume (ggf. in Kooperation mit Hochschulen) erlauben. Nicht zuletzt entspricht die Aufforderung „Tue das, was passt!“ dem Bekenntnis des Instructional Design / Learning Design zum Eklektizismus bei der theoretischen  Fundierung von zu konzipierenden Lernarrangements, welche sich stets über die Schritte von Evaluation und Redesign an eine stimmige Lösung der konkreten Bildungsherausforderung anzunähern suchen.