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Horizon-Report K-12 Edition 2015

Nicht mehr ganz taufrisch, doch immer noch relevant genug, um sich damit zu beschäftigen, ist der Horizon Report: 2015 K-12 Edition des New Media Consortiums. Der von einem internationalen Panel nominierter Experten (hier das Formular zur Einreichung von Nominierungen) jährlich zusammengestellte Bericht macht aktuelle pädagogische Herausforderungen sowie bildungstechnologisch relevante Entwicklungen aus, und leitet daraus Trends für den schulischen Bereich jeweils für die kommenden 5 Jahre ab. Die Erarbeitung der jährlichen Reports erfolgt in einem öffentlich zugänglichen Wiki, in dem auch die Expertenliste (z. B. Experten 2015) oder die Zeitleiste für den neuen Bericht (geplante Veröffentlichung: September 2016) einsehbar ist.

Als pädagogisch relevante technologische Entwicklungen werden genannt:

  • Innerhalb eines Jahres oder weniger: Bring your own Device und Makerspaces
  • innerhalb der kommenden zwei oder drei Jahre: 3D-Druck und adaptive Lernsysteme
  • innerhalb der kommenden vier bis fünf Jahre: Badges und wearable technology

Als pädagogische bzw. systemische Herausforderungen werden aufgeführt:

  • lösbar: Erzeugung authentischer Lerngelegenheiten, Integration von Bildungstechnologien in die Lehrerausbildung
  • schwierig: Personalisierung des Lernens, Überdenken bzw. Neudenken der Rollen von Lehrkräften
  • kaum lösbar (wicked): Skalierung von Lehr-Innovationen (z. B. flipped classroom), Lehren komplexen Denkens

Die daraus abgeleiteten Trends sind:

  • kurzfristig: vermehrte Nutzung von Blended-Learning, steigende Bedeutung der MINT-Lernangebote (STEM-Learning)
  • mittelfristig: vermehrte Nutzung von Ansätzen des kollaborativen Lernens, Lernende mehr in die Rolle von Produzenten als von Konsumenten bringen
  • längerfristig: Reflexion und Neukonzeption der grundsätzlichen Lern- und Arbeitsstrukturen von Schulen, Schritt zu Ansätzen der tieferen Verarbeitung von Inhalten (Deeper Learning)

Interessanterweise weisen die Zwischenergebnisse für den Report 2016 kaum Veränderungen gegenüber den Punkten von 2015 auf, so dass daraus eine Bestätigung der obigen Trends ersichtlich wird.

Wechsel an Realschule Pfuhl – stellvertretende Schulleitung

Im vergangenen halben Jahr fand bei mir ein wichtiger Orientierungsprozess statt, der nun in einen Wechsel von der Akademie Dillingen (eLearning-Kompetenzzentrum) an die Realschule Neu- Ulm / Pfuhl mündete. Seit diesem August werde ich nicht mehr in erster Linie als eLearning-Konzepter für online-unterstützte Lehrerfortbildung, sondern als stellvertretender Schulleiter und wieder als Lehrer für Realschülerinnen und -schüler der Klassen 5 bis 10 agieren. Einerseits bringt die neue Aufgabe eine Fülle an Tätigkeiten mit, für die ich mir bewusst (Lern-)Raum und große Offenheit schaffen möchte, andererseits ist es mir selbstverständlich ein Anliegen, die in den vergangenen Jahren erworbenen Kompetenzen und u. a. an der Donau-Uni Krems gemeinsam mit Prof. Dr. Peter Baumgartner und Dr. Marco Kalz gelehrten Inhalte insbesondere im Bereich des Didaktischen Designs für (technologieunterstützten) Unterricht weiter zu pflegen und weiter zu entwickeln. Ich freue mich sehr, nun einige Konzepte erproben zu können, die ich in den vergangenen Jahren zwar theoretisch reflektiert habe, doch praktisch im Bereich der Lehrerfortbildung aus unterschiedlichen Gründen nicht systematisch genug umsetzen und evaluieren konnte. Hierzu gehören beispielsweise Konzepte und Modelle zur Stärkung des selbstgesteuerten Lernens unter besonderer Berücksichtigung motivationaler Aspekte oder auch ganz einfach das Cognitive Apprenticeship Modell, das ich mit seinen Phasen des Modeling, Coaching, Fading, Scaffolding und Articulation, Reflection, Exploration immer wieder als wichtigen Orientierungrahmen zur Gestaltung nachhaltiger Lehr-Lernprozesse im Blick habe. Ein wichtiges Themenfeld wird weiter die Einführung des kompetenzorientierten Lehrplans an den bayerischen Realschulen sein, so dass auch hier viele Reflexions-, Erprobungs- und Evaluationsmöglichkeiten bestehen werden. Eine hervorragende Lern- und Austauschgelegenheit wird sich auch über die Flipped-Classroom-Praxis meines Kollegen Sebastian Schmidt (vgl. http://www.flippedmathe.de) und die Unterrichtskonzepte/-ideen weiterer Kollegen an der Realschule ergeben, auf die ich schon sehr gespannt bin. Mal sehen, ob der Balanceakt zwischen den für das Ganze der Schule wichtigen Schulverwaltungsaufgaben und dem Engagement für eine reflexive kooperative Unterrichtsentwicklung gelingen kann. Nun ja – vor Beginn der Unterrichtszeit Mitte September wird man wohl noch etwas träumen dürfen ;-)

 

Spielarten des Sollens

Im Rahmen der Tagung Campus Innovation 2014 des Multimedia Kontor Hamburg (MMKH) entwickelte Gabi Reinmann in ihrer Keynote „Spielarten des Sollens: Die Rolle der Forschung für die Entwicklung der Hochschullehre mit digitalen Medien“ am 20.11.2014 (Link zur Vortragsaufzeichnung) eine hilfreiche Übersichtstabelle zu aktuellen Forschungsstrategien in den Bildungswissenschaften. Es werden die empirische Bildungsforschung, die Trend- und Zukunftsforschung, die entwicklungsorientierte Bildungsforschung bzw. Design-Based Research und die Bildungsphilosophie unterschieden und bzgl. der Ebenen typische Aktivitäten, Ziele, Ergebnisse sowie der Art etwaiger Sollensansprüche und sich daraus ableitender Verhaltensaufforderungen verglichen.

Screenshot Vortrag Reinmann - Spielarten des Sollens

Screenshot Vortrag Reinmann – Spielarten des Sollens

Für mich neu an diesem Vergleich war die Aufnahme der Trend- und Zukunftsforschung als Forschungsparadigma zur Erlangung von Erkenntnissen in den Bildungswissenschaften, wenngleich mir entsprechende Berichte wie etwa die vom New Media Consortium (NMC) in Texas herausgegebenen Horizon Reports, die seit 2009 vom MMKH auch in deutscher Übersetzung bereitgestellt werden, stets bewusst waren.

Besonders interessant fand ich die in der grafischen Übersicht die durch den weißen (nicht grau schattierten) Hintergrund hervorgehobenen Vergleichsebenen der Sollensansprüche und Verhaltensaufforderungen, die Reinmann aus den jeweiligen Herangehensweisen ableitet. Gerade durch die knapp formulierten Handlungsaufforderungen

  • Tue das, was wirkt! (Empirische Bildungswissenschaften)
  • Tue das, was nötig ist! (Trend- und Zukunftsforschung)
  • Tue das, was passt (Design-Based Research)
  • Tue das, wofür du Gründe hast! (Bildungsphilosophie)

werden in gelungener Weise die jeweiligen (impliziten oder versteckten, emergenten oder expliziten) Sollensansprüche und damit die Praxisrelevanz der jeweiligen Forschungsstrategien plakativ benennbar.

Weiter stellt Reinmann abschließend die unterschiedlichen Herangehensweisen als gleichermaßen berechtigt und den zu untersuchenden Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven erforschend  – somit als nicht konkurrierende, sondern komplementäre Ansätze – dar.

Reflexion: Was hat dies mit dem Aspekt des Design4TEL (siehe Titel dieses Weblog) zu tun? Ich persönlich sympathisiere stark mit dem Ansatz der entwicklungsorientierten Bildungsforschung (Design-Based Research) insbesondere für die Erforschung des TEL im Feld. Die Komplexität der jeweiligen Anwendungssituation (z. B. Nutzung spezifischer Lehr-/Lernstrategien innerhalb von Unterricht oder Lehrerfortbildung) und das Anliegen, neben theoretischem Erkenntnisgewinn konkrete Bildungsprobleme bzw. -herausforderungen in passender Weise (ggf. innovativer, d. h. noch nicht bewährter, ggf. aber auch mit bewährten Mitteln, die aber so bisher nicht im Blick waren) zu lösen, sind für mich Rahmenbedingungen, die insbesondere für reflektierende und wissenschaftlich interessierte Praktiker attraktive Handlungsspielräume (ggf. in Kooperation mit Hochschulen) erlauben. Nicht zuletzt entspricht die Aufforderung „Tue das, was passt!“ dem Bekenntnis des Instructional Design / Learning Design zum Eklektizismus bei der theoretischen  Fundierung von zu konzipierenden Lernarrangements, welche sich stets über die Schritte von Evaluation und Redesign an eine stimmige Lösung der konkreten Bildungsherausforderung anzunähern suchen.